Morgenpolitik

Nach dem jährlichen Kaminservice gibt mir mein Rauchfangkehrer einen FPÖ-Kugelschreiber zum Unterschreiben. So früh morgens wollte ich eigentlich nicht politisieren.

Der erste Grund, den er für seine Wahl anführt, ist das Versagen der SPÖ. Danke, ja, der Meinung bin ich auch. Das darf aber immer noch kein Grund sein, die FPÖ zu wählen. Zum Beispiel, weil sie nichts gegen die wachsende Ungleichheit unternehmen, weil sie 1,3 Milliarden für das Bundesheer fordern, weil sie rechts sind, … Der Mann muss weiter und entkommt einer Geschichtsstunde. Tür zu.

Kaffee, bitte Kaffee! Ich hol meine Zeitung vom Briefkasten und treffe im Stiegenhaus nochmal auf ihn und seinen jüngeren Kollegen. „FPÖ fordert 1,3 Mrd für das Bundesheer“, ich zeige ihnen die aktuelle Schlagzeile. Dass der Jüngere antwortet, er würde das Geld für was anderes verwenden, merke ich mir.
Im Laufe des Gesprächs klärt sich, dass ich Grünwählerin bin. „Denen verdanken wir Radwege und die neue Mariahilfer Straße!“ Ja, genau, gut so. „Das hat Milliarden gekostet!“ Ups, damit hab ich nicht gerechnet. Auf meine 100-Euro-Wette, dass das nicht stimmt, geht er leider nicht ein.
Der junge Mann liebt den Geruch von Benzin und Abgasen. Na gut, dass er keine Kinder will, denen er diesen fossilen Lebensstil, der im 21. Jahrhundert nichts verloren hat, weitergeben kann. Umweltschutz ist wichtig, 15.000 Wissenschafter sind dieser Meinung! So kann es nicht weitergehen, irgendwann haben wir nichts mehr zum Essen!
Er lacht, ich sage, er soll net so deppat lachen, er sagt, er wird ja wohl noch lachen können, ich sage, ich werd ja wohl noch sagen können, dass ich ein Lachen bei diesem Thema unpassend finde. Tür zu.

Die Mahü-Milliarden lassen mir keine Ruhe, ich recherchiere und siehe da, es waren 25 Millionen, ein 40stel. Wieder ins Stiegenhaus … Nunja, er glaubt es mir nicht: die FPÖ wollte es eh aufdecken, dass es Milliarden waren, aber die Rot-Grünen haben es nicht zugelassen. Seine Informationsquelle? Nicht die Gratisblätter, er ist ja Autofahrer. Nationalratsabgeordneter ist er keiner, dass er das genau weiß. Aber während der Wahl hat die FPÖ davon gesprochen. Hm.

Aber es freut mich, dass ich dem ersten enttäuschten FPÖ-Wähler begegnet bin! – Wieso? – Na, sie haben grad gesagt, sie würden nicht 1,3 Milliarden für das Bundesheer fordern. Und es werden noch viele Enttäuschungen folgen. Abgang.

Fazit: Mund aufmachen!
Und das Buch „Wie man mit Fundamentalisten diskutiert, ohne den Verstand zu verlieren“ lesen.