Alternative Finanzierung in Österreich

„Geld macht glücklich, wenn man rechtzeitig drauf schaut, dass man es hat, wenn man es braucht.“

Laut Kreditbericht der Österreichischen Nationalbank 2013 wurden von den Banken weniger Kredite an nicht-finanzielle Unternehmen vergeben. Eine bedenkliche Tatsache, wenn man davon ausgeht, dass die Förderung der Realwirtschaft die wichtigste Funktion von Banken sein sollte. Sind Menschen, die ihre Ideen umsetzen wollen, auf die finanzielle Unterstützung von „familiy, friends and fools“ angewiesen?

Als im Jahr 1999 Heini Staudinger und sein prosperierendes Unternehmen von der Bank abgewiesen wurden und keinen Kredit für die Investition in alternative Energiegewinnung erhielten, wandte er sich an seine Kund*innen und gründete den GEA Sparverein. Zehn Jahre lang wurde auf diese Weise ein Betrieb mit mehr als 200 Arbeitsplätzen am Leben erhalten, eine Photovoltaikanlage errichtet und Zinsen an die SparerInnen ausbezahlt. 2012 befand die Österreichische Finanzmarktaufsicht, dass ein Sparverein nur von einer konzessionierten Bank betrieben werden darf. Damals schon stellten wir Grüne uns hinter die Waldviertler Schuhfabrik und forderten „BürgerInnenrecht statt Bankenrecht“.

Auf das plausible Argument, dass die Sparer sich nur bei einer Bank auf (staatlich) garantierte Rückzahlung ihrer Einlagen verlassen können, hat Staudinger mit einer rechtlichen Änderung seines Finanzierungsmodells reagiert: beim nachrangigen Apfelbäumchen-Darlehen erhalten die DarlehensgeberInnen ihre Anteile erst nach den Forderungen aller anderen Gläubiger.

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Exkurs 1 – GEA zeigt Tatkraft auch mit anderen Projekten:

  • Formel Z: Kinder werden für die Teilnahme an Rennen von GEA gesponsert. So kommt das Geld komplett den Familien zugute – was bei einer Erhöhung der Löhne der arbeitenden Eltern wegen der hoher Abgabenlast nicht möglich ist.
  • Mama Waldviertel: Mütter können mit ihren Kindern um EUR 50 eine Woche lang im Waldviertel Urlaub machen.
  • Sonnenbeteiligung: bislang haben mehr als 3.000 Personen „Sonnen-Gut-Scheine“ gekauft und damit 18 Photovoltaik- und zwei thermische Solar-Anlagen finanziert.
  • Heini für Afrika: Spenden werden in Tansania verwaltungskostenfrei in Infrastruktur, Medikamente und Ausrüstung investiert

Exkurs 2 – Bei den österreichischen Bürger*innen entschuldigte sich Heini Staudinger, weil er „die ganzen Kapazitäten der FMA gebunden [hat] und sie keine Zeit gehabt haben, die Hypo ordentlich zu kontrollieren.“

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Wie dieses Beispiel zeigt, ist alternative Finanzierung ein Thema für Klein-Mittel-Betriebe (KMU), aber auch für Ein-Personen-Unternehmen (EPU), NGOs und für Künstler*innen. Mit Film- und Musikprojekten hat das Online-„Crowdfunding“ (Schwarmfinanzierung) begonnen: 1997 finanzierten Fans die US-Tour der britischen Band Marillion mit online gesammelten 60.000 Dollar. Den Crowdfunding-Rekord hält das Videospiel Star Citizen mit aufgebrachten 47 Mio. Dollar (Juni 2014).

Ein Vorläufer dieses Finanzierungsmodells sind die Buchsubskriptionen, die es seit dem 17. Jahrhundert gibt: man bezahlt das Buch, bevor es in Druck geht. Ein berühmtes Beispiel für Crowdfunding sind die mehr als 100.000 US-Dollar, die der Verleger Joseph Pulitzer 1884 über seine Zeitung gesammelt hat, damit das Fundament für die Freiheitsstatue in New York fertig gebaut werden konnte. Mehr als 125.000 Personen haben dazu beigetragen (mit Beträgen von 1 Dollar und weniger).

Heute treffen sich Menschen mit Ideen und mit Geld auf Web-Plattformen, die zumeist regional oder inhaltlich spezialisiert sind. Je nach Projekt gibt es für die unterstützende „Crowd“ das finanzierte Produkt, Unternehmensanteile (meist als stiller Teilhaber), zusätzliche Anreize (T-Shirts, ein Platz auf der ewigen Gästeliste der Lieblingsband) oder einfach das gute Gefühl, dass ein tolles Projekt realisiert werden kann.

Der enorme Erfolg von US-Plattformen wie Kickstarter führte dazu, dass 2012 in den USA ein passendes Gesetz schnell und einstimmig verabschiedet wurde: der Name „Jumpstart Our Business Startups (JOBS) Act“ zeigt, dass man sich bewusst ist, wie wichtig eine Verbesserung der rechtlichen Situation für Arbeitsplätze und Unternehmensförderung ist.

Wie sieht es in Österreich aus?

Es gibt derzeit etliche österreichische Online-Plattformen und eine rechtliche Situation, die für beide Seiten unzufrieden stellend ist.

Zum Schutz der Geldgeber*innen fordert die Arbeiterkammer die Registrierung und gewerberechtliche Kontrolle der Plattform-Betreiber und die Verpflichtung zu umfassender Information und Risikohinweisen, unter anderem im Rahmen der sogenannten Prospektpflicht. Diese besteht für Investitionsprodukte und bedeutet eine schriftliche, kompetent und objektiv geprüfte Entscheidungsgrundlage für Investoren*innen.

An dieser Prospektpflicht, die einem Unternehmen EUR 25.000 und mehr kosten kann, scheiden sich die Geister: seit 2013 gilt sie für Finanzierungen ab EUR 250.000. Die Forderungen der Wirtschaftskammer schwanken zwischen EUR 750.000 und 5 Mio, wir Grüne wollen eine Grenze ab EUR 3 Mio.

Ein entsprechender Nationalrats-Antrag wurde von Ruperta Lichtenecker (Grüne) im Oktober 2013 eingebracht, der dem Finanzausschuss zugewiesen wurde. Wegen Tatenlosigkeit gab es gleichen Antrag und nochmalige Zuweisung zum Finanzausschuss am 8. Juli 2014. Dieser Antrag entspricht dem 10-Punkte-Programm zur Grünen Wirtschaftswende („Innovative Finanzierungsmodelle für innovative Ideen!“) und fordert die Regierung auf, bis zum 30. September 2014 einen Entwurf für ein Crowdfunding-Gesetz vorzulegen, das folgendes bewirken soll:

  • Bürger*innen können sich administrativ einfach, kostengünstig und rechtssicher finanziell bei innovativen oder sozialen Projekten, Energiewendeprojekten und Unternehmen der Region engagieren.
  • Gemeinden können mit direkter Beteiligung der Bürger*innen Energiewendeprojekte administrativ einfach und billig realisieren.
  • Geprüfte und vertrauenswürdige Gemeinnützige Organisationen können sich für ihre Projekte Geld direkt bei Bürger*innen leihen.
  • Genossenschaften und Revisionsverbände („Prüfstellen“ von Genossenschaften) können einfach und kostengünstig gegründet werden.
  • Unternehmen können sich in der Region einfach direkt Geld bei Bürger*innen ausborgen: Prospektpflicht ab EUR 3 Mio. und maximal EUR 20.000/Person.
  • Innovative Start-ups können mit Crowdfunding ihre kreativen Ideen in Österreich umsetzen.
  • Angebot und Vertrieb der alternativen Finanzierungsformen nur direkt durch Emittenten erlaubt.

Dieses Gesetz ist wichtig für Unternehmer*innen, Initiativen, Künstler*innen und Bürger*innen. Es ist notwendig, damit regionale Projekte mit innovativen, alternativen und sozialen Inhalten realisiert werden können.

Und was sagt die EU?

Der Binnenmarkt-Kommissar Michel Barnier ist sich darüber im Klaren, dass „Crowdfunding als alternative kollektive, partizipatorische und interaktive Methode der Mittelbeschaffung zunehmend an Bedeutung gewinnt“. Am 25. Juni 2014 hat sich die Expertengruppe „European Crowdfunding Stakeholders Forum“ zur Unterstützung der Europäischen Kommission gebildet.

Barnier kennt übrigens Heini Staudinger.

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Links:

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Österreichische Crowdfunding-Plattformen:

www.1000×1000.at – Innovationsprojekte und Gründungsvorhaben
www.conda.at – Startups
www.crowdcapital.at
www.greenrocket.at – Startups im Bereich Nachhaltigkeit
www.inject-power.at – Forschungsprojekte
www.neurovation.net – Kreativbranche und Prototypen
www.querk.at
www.respekt.net – Spenden für Zivilprojekte
www.startnext.at