Neo(liberal)s

Wer sind die Neos, die jüngste Fraktion im österreichischen Parlament? Leicht zu merken: das sind die Neoliberalen. Im Jänner 2014 fusionierten sie mit dem Liberalen Forum, für die EU kandidieren sie als österreichische Partei in der Fraktion Allianz der Liberalen und Demokraten für Europa (ALDE).

liberal: „weltanschaulich tolerant, freisinnig, vorurteilsfrei, vorurteilslos“ [1]

Deswegen wirken die Neos am ersten Blick auch irgendwie sympathisch. Geradezu wohltuend, wenn man gewohnt ist, dass am anderen Ende des politischen Spektrums eine Partei sitzt, die Vorurteile aus dem vorigen Jahrhundert mitgenommen und das Flair der Intoleranz und Abgrenzung hat.

Die Neos haben inhaltlich überhaupt nichts mit „neu“ zu tun, auch wenn sie mit ihrem Slogan „Das neue Österreich“ das Gegenteil behaupten. Ihr Programm möchte das bestehende wirtschaftliche System des Neoliberalismus ausbauen und absichern: das System, das für Umweltschäden und Armutswachstum verantwortlich ist, das die Rechte der BürgerInnen denen der Konzerne unterordnet und den sozialen Frieden gefährdet.

Neu sind völlig andere Konzepte: Postwachstumsökonomie[2] und Gemeinwohlökonomie.[3]

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Ergänzungen zur ALDE:

Für Deutschland sitzt die FDP in der ALDE-Fraktion.

Wer gedacht hat, dass liberal natürlich auch „für EU“ bedeutet, wird über das Lob des ALDE-Vorsitzenden Guy Verhofstadt über die Neos staunen: „Das Interessante an den Neos ist, dass es sich nicht nur um eine liberale, sondern um eine pro-europäische liberale Partei handelt. Das gibt es nicht so oft. Daher sind die Neos ein echtes Vorbild. Der Liberalismus braucht mehr Mut zu pro-europäischen Konzepten.“[4]. Hm, welche Konzepte haben die anderen Liberalen in Brüssel denn so? Anti-europäisch im Sinne von pro-national?

In diesem Interview zeigt er auch den Überblick, den er über die politische Landschaft Europas hat: „In vielen Ländern sehen sich die Menschen mit konservativer oder sozialdemokratischer Politik in einer Sackgasse angekommen. In Österreich sowieso, das ist offensichtlich. Dann suchen sie nach Alternativen. Und da gibt es jene, die glauben, durch Rückzüge hinter nationale Grenzen ließen sich internationale Probleme lösen. Die wenden sich nationalistischen Rechtsparteien zu. Aber jene Menschen, die open minded sind und modern denken, wenden sich dann eben Parteien wie den Neos zu.“ Neos als einzige Alternative für moderne Menschen? Die Sackgasse heisst „Neoliberalismus“ und ist nicht modern, sondern überholt.

Die ALDE hat derzeit (noch) ein österreichisches Fraktionsmitglied: Angelika Werthmann. Sie war anfangs ein paar Monate auf der Liste Dr. Martin, wurde von fünf ehemaligen Mitarbeiterinnen wegen Mobbing angezeigt [5] und kandidiert bei der EP-Wahl 2014 hinter Ulrike Haider-Quercia für das wirtschaftsliberale BZÖ.

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Quellen & Links:

[1] Begriffserklärung liberal auf Wiktionary: de.wiktionary.org/wiki/liberal

[2] Ringvorlesung mit Niko Paech über Postwachstumsökonomie: www.postwachstumsoekonomie.de

[3] Website des Vereins zur Förderung der Gemeinwohl-Ökonomie:
www.gemeinwohl-oekonomie.org

[4] Interview Guy Verhofstadt im Format: www.format.at/articles/1409/524/373003/interview-guy-verhofstadt-eu-kommissions-chef

[5] Mobbingvorwürfe gegen EU-Abgeordnete Werthmann auf orf.at am 17.05.2012: www.orf.at/stories/2120839/