Der Standard brachte am 14. März 2015 eine Ausgabe mit dem Schwerpunkt Verteilungsgerechtigkeit heraus. Zu spät, um all die guten Informationen und Argumente in eine breite Diskussion zur neuen Steuerreform einzubringen.
Meine Auswahl an treffenden Aussagen:
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„Sich selbst als verwundbar zu erleben, das ist eine der essenziellen Übungen auf dem Weg zur Gerechtigkeit. Verwundbarkeit ist der Stachel im Pathos einer Freiheit, die meint, es würde schon genug nebenbei für den Rest abfallen, wenn man sich nur selbst uneingeschränkt durchsetzen könnte.“
Bert Rebhandl: Verteilungsgerechtigkeit ist eine Frage der Integrität
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Laut Ahmed Galal vom Economic Research Forum in Kairo solle soziale Gerechtigkeit zwei Ziele erreichen: „die negativen Umstände neutralisieren, in die Menschen geboren werden, und harte Arbeit belohnen.“
Wenn die Gratisschule zur Armutsfalle wird
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András Szigetvari geht im Artikel „Auf der Spitze der Pyramide“ der Frage nach, wie es zu den hohen Managergehältern in Österreich kommt:
Ein kleiner Personenkreis in Aufsichtsratspräsidialen und Vergütungsausschüssen beauftragt externe Berater, um festzustellen, was am Markt denn so bezahlt wird. Sie erstellen Gehaltsbenchmarks aufgrund internationaler Vergleichszahlen und kassieren Erfolgshonorare je nach Höhe des endgültigen Managerbruttogehalts.
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„Die Regierungen müssten [zur Schaffung von mehr Gerechtigkeit] strukturelle Veränderungen wie eine Land-, Steuer- und Wasserreform angehen, viel mehr in Gesundheit und Bildung investieren.“
Alberto Acosta, „Exzessiver Reichtum schafft exzessive Armut“
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Im Web habe ich das lange Originalzitat aus „Im Kampf gegen ein Trauma namens Schulden“ gefunden:
“There is nobody in this country who got rich on their own. Nobody. You built a factory out there – good for you. But I want to be clear. You moved your goods to market on roads the rest of us paid for. You hired workers the rest of us paid to educate. You were safe in your factory because of police forces and fire forces that the rest of us paid for. You didn’t have to worry that marauding bands would come and seize everything at your factory… Now look. You built a factory and it turned into something terrific or a great idea – God bless! Keep a hunk of it. But part of the underlying social contract is you take a hunk of that and pay forward for the next kid who comes along.”
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Irene Brickner schreibt „vom geizigen Zugang zu sozialen Menschenrechten“ und erzählt vom Europäischen Ausschuss für soziale Rechte (European Committee of Social Rights (ECSR)) und dem UN-Ausschuss für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte. Doch beide bieten für Österreicher*innen keine rechtliche Handhabe.
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Richard Wilkinson, der mit Kate Pickett das Buch „Gleichheit ist Glück“ geschrieben hat, erklärt im Interview Verteilungsgerechtigkeit zum entscheidenden Faktor für unsere Gesundheit:
„In ungleicheren Gesellschaften haben Menschen mehr Angst davor, wie andere sie beurteilen. Deshalb sind Depression und Schizophrenie verbreiteter. Gleichzeitig zeigen Studien, dass Menschen in so einem Umfeld auch eher dazu neigen, sich besser darzustellen, als sie sind, um bestehen zu können. In ungleicheren Gesellschaften ist also auch Narzissmus verbreiteter. Vielleicht sollten wir uns bewusster werden, wie stark Dinge jenseits unserer individuellen Sphäre unser Wohlbefinden beeinflussen.
STANDARD: Und was können wir als Gesellschaft tun?
Wilkinson: Es gibt verschiedenste Wege in einer Gesellschaft um Ungleichheit zu verringern. Man kann mehr verteilen oder Spitzengehälter und Bonuszahlungen beschneiden. Wahrscheinlich sollten wir auf sie alle zurückgreifen. Das würde die Gesellschaft für jeden zu einem schöneren Platz machen.“
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Stefan Brändle schreibt über die Reichensteuer in Frankreich und meint:
„Insgesamt brachte die Steuer 500 Millionen Euro ein. Das war sehr wenig. Weniger als der politische Effekt jedenfalls.“
Ich meine, dass ein politischer Effekt nicht in Geldeinheiten gemessen werden kann. Im Sinne von Verteilungsgerechtigkeit ist die Höhe irrelevant – zu wissen, dass die Reichen ihren Beitrag leisten, bringt Genugtuung und ein Gefühl von Gerechtigkeit.
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Beim Lesen des Artikels „Deutsche Millionäre würden dem Staat freiwillig Geld geben“, stellte sich mir die Frage, wo die österreichischen Dieter Lehmkuhls sind? Er ist Millionär und Mitglied der deutschen Initiative Vermögender für eine Vermögensabgabe.
www.appell-vermoegensabgabe.de
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Abgesehen vom unpassenden Erscheinungstermin und fehlende Informationen zu den Autor*innen der einzelnen Artikel, bin ich sehr glücklich darüber, dass das Thema Verteilungsgerechtigkeit vom Standard gewählt wurde.